Rezept für eine lange Ehe

Veröffentlicht am: Dienstag, 18. Mai 2010 von Dorothea F. Voigtlaender in: Brautpaare berichten

Wie Ehe auch heute noch gelingen kann – Da sollte man die Jubelpaare fragen, warum und wie sie es so glücklich und zufrieden jahrzehntelang miteinander ausgehalten haben

Die Hochzeit war ein rauschendes Fest, die Ringe sind getauscht, „Du darfst die Braut küssen“, die Gäste jubelten, und eigentlich sollten und wollten die beiden Liebenden „zusammen alt werden“. Denkste. Denn immer mehr geht es um die Frage, warum heute so viele Ehen scheitern und in Deutschland fast jede zweite in den Städten und insgesamt etwa jede dritte geschieden wird. Manche am gleichen Tag sogar, manche nach ein paar Wochen, manche nach ein paar Jahren und manche sogar nach drei oder vier Jahrzehnten.

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Ein junges Bonner Brautpaar im April 1949 – Foto: Johannes Peter

Früher gab es oft die „Versorgungsehe“, weil die Frauen selten, wenn überhaupt, einen Beruf erlernt hatten und über kein eigenes Vermögen verfügten. Der Mann war der „Ernährer“ der Familie und hatte das Sagen. Da machte der Mann, was er wollte, die Frau hatte den Mund zu halten, denn ansonsten war ihr materieller und finanzieller Alltag nicht mehr gesichert. Doch seitdem so viele Frauen im aktiven Berufsleben stehen und für sich selbst und sogar alleine für ihre Kinder sorgen können, das Kindergeld fließt, Tagesmütter parat stehen, ja, da ist es leichter geworden, sich zu trennen. Vielleicht hätten diese Paare einmal mehr miteinander reden sollen!

Und dennoch: Es gibt sie noch, die langen Ehen, die schönen Silberhochzeiten, die Goldhochzeiten, die in Tageszeitungen liebevoll beschrieben und gefeiert werden. Wie machen es diese Paare nur, dass sie solange zusammen bleiben, obwohl auch hier nicht selten ein Hausfrieden zum Streit wird, bei temperamentvollen Auseinandersetzungen gar das Geschirr gegen die Wand kracht? Doch bei ihnen scheinen Scherben Glück zu bringen wie am Polterabend, wo ebenfalls Geschirr zerbricht, weil das Glück bringen soll. Eine Erinnerung an diesen Tag?

Wie aber entsteht dieses Glück zu zweit, obwohl es auch einmal auf eine harte Probe gestellt werden kann? Dazu schrieb der Schriftsteller und Karikaturist Wilhelm Busch: „Glück entsteht oft durch Aufmerksamkeit in vielen kleinen Dingen, Unglück oft durch Vernachlässigung kleiner Dinge“. Das sollte man einmal gründlich durchdenken. Hat er Recht? Vertrauen und Vertrautheit gehören zu einer guten Partnerschaft, aber auch Toleranz und Offenheit, den anderen nicht zu sehr anzubinden, nicht zu unterdrücken. Es gibt nicht nur den Macho, es gibt auch die Macha. Achtung, da kann es gefährlich werden.

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das selbe Brautpaar zur diamantenen Hochzeit 2009 – Foto: Johannes Peter

Der französische Schriftsteller Henry de Montherlant meint gar: „Die Ehe ist eine Hölle bei gemeinsamem Schlafzimmer. Bei getrennten Schlafzimmern ist sie nur noch ein Fegefeuer. Ohne Zusammenwohnen wäre sie vielleicht das Paradies“. Na ja, diese Tipps sind wohl aus eigenen ganz persönlichen Erfahrungen erwachsen. Wenn der eine schnarcht, kann der andere nicht schlafen. Doch das wäre zu einfach. Denn ein liebevolles Zusammenkuscheln kann auch sehr schön und angenehm sein. Dennoch: Die Freiheit neben dem Ehepartner ein eigenes Leben mit seinen eigenen Freunden zu führen, mit seinen eigenen Interessen zu verwirklichen, ist wichtig, auch wenn der Partner das nicht immer mag. Toleranz ist ganz wichtig für eine glückliche Ehe. Jeder soll seine Eigenständigkeit behalten, dann ist er frei auch für den Partner, die Partnerin. Dann kann auch Glück wachsen, denn jeder muss sich auch mit dem anderen in seiner eigenen Haut wohlfühlen. Wer sich immer nur nach dem anderen richten muss, da kann man sicher sein, dass hier irgendwann einmal etwas schief gehen muss.

Goldhochzeiter geben da gerne der Presse Ratschläge, warum sie solange glücklich und zufrieden miteinander „alt geworden sind“: Jeder muss sein Leben leben, Rücksicht auf den anderen nehmen, auch seine Wünsche gelten lassen, viele Gemeinsamkeiten am Anfang einer Ehe finden und sie verwirklichen, zum Beispiel Reisen oder im Garten arbeiten, und man sollte viel miteinander sprechen. Diejenigen, die bei der Scheidung meinen „Wir hatten uns nichts mehr zu sagen“, die können nur bedauert werden. Da hat sich wohl niemand die Mühe gemacht, auf den anderen einzugehen. Da sind sie zu Freunden und sogar fremden Menschen oft netter als zum Partner, zur Partnerin. So kann es nicht sein. Denn die Jubelpaare in den späteren Jahren verstehen sich meist auch mit Blicken, mit kleinen Zeichen, die nur sie selbst verstehen und lieben. Wichtig ist: Gleich zu Beginn einer Ehe müssen beide Partner wissen, dass ihr gemeinsames Glück nicht von alleine kommt, von irgendwo her, sie müssen sich die Mühe geben, das Glück zu suchen und zu finden. Wichtig ist: An Liebe muss jeden Tag gebaut werden, auch über Jahre und nach Jahren. Kleine und große Probleme müssen gemeinsam durchgestanden werden. Gespräche im Alltagsleben sind nicht zu vergessen, wer da schlampt, hat oft das Nachsehen. Wenn man sich gemeinsam in einer Ehe freut, wenn man gemeinsam lacht, dann wird die Verbindung fester. Wer sich zu oft alleine freut, wer den anderen außen vorlässt, der lockert sie. Logisch?

Kommen wir auf die Essayisten zurück, wie hier auf den Franzosen Michel de Montaigne in seinem Essai 3,5: „Eine gute Ehe, wenn es eine solche gibt, benötigt die Liebe nicht. Sie strebt nach der Freundschaft hin. Es ist eine süße Lebensgemeinschaft, voll Beständigkeit, Vertrauen und einer unendlichen Menge nützlicher und dauerhafter Dienstleistungen und wechselseitiger Verpflichtung“. Na ja, so trocken kann es nicht sein, denn Liebe gehört sicherlich zu einer guten Ehe dazu, denn schließlich wurde sie im Normalfall ja aus Liebe geschlossen. Oder? Marie von Ebner-Eschenbach ist da tröstlicher: „Jedes brave eheliche Verhältnis endet mit Freundschaft“.

Friedrich Nietzsche bringt einen wichtigen Kernsatz: „Man soll sich beim Eingehen einer Ehe die Frage vorlegen: Glaubst du, dich mit dieser Frau (diesem Mann) bis ins Alter hinein gut zu unterhalten? Alles andere in der Ehe ist transitorisch, aber die meiste Zeit des Verkehrs gehört dem Gespräche an“. Da hat er sicherlich nicht Unrecht. Jubelpaare betonen es auch immer wieder: „Wir haben alles gut miteinander geplant und besprochen, dann hatten wir auch den wenigsten Ärger“. Und Scheidung? „Das gehört nicht zu unserem Vokabular! Na bitte. Da bleibt für die vielen deutschen Noch-Ehepaare ja doch noch Hoffnung. Grundsätzlich stellt sich die Frage: Gibt es überhaupt ein allgemein gültiges Rezept?