Hochzeitsgedichte

Veröffentlicht am: Mittwoch, 17. Oktober 2007 von Redaktion in: Gedichte

Der Mond ging unter – jetzt ist’s Zeit. –
Der Bräut’gam steigt vom Roß,
Er hat so lange schon gefreit –
Da tut sich auf das Schloß,
Und in der Halle sitzt die Braut
Auf diamantnem Sitz,
Von ihrem Schmuck tut’s durch den Bau
Ein’n langen roten Blitz. –
Blass‘ Knaben warten schweigend auf,
Still‘ Gäste stehn herum,
Da richt’t die Braut sich langsam auf,
So hoch und bleich und stumm.
Sie schlägt zurück ihr Goldgewand,
Da schauert ihn vor Lust,
Sie langt mit kalter, weißer Hand
Das Herz ihm aus der Brust.

( Joseph von Eichendorff )

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Durch des Meeresschlosses Hallen
Auf bespültem Felsenhang,
Weht der Hörner festlich Schallen;
Froher Hochzeitgäste Drang,
Bei der Kerzen Zauberglanze,
Wogt im buntverschlungnen Tanze.
 
Aber an des Fensters Bogen,
Ferne von der lauten Pracht,
Schaut der Bräut’gam in die Wogen
Draußen in der finstern Nacht,
Und die trunknen Blicke schreiten
Furchtlos durch die öden Weiten.
 
„Lieblich“, sprach der wilde Ritter
Zu der zarten, schönen Braut,
„Lieblich girrt die sanfte Zither –
Sturm ist meiner Seele Laut,
Und der Wogen dumpfes Brausen
Hebt das Herz in kühnem Grausen.
 
Ich kann hier nicht müßig lauern,
Treiben auf dem flachen Sand,
Dieser Kreis von Felsenmauern
Hält mein Leben nicht umspannt;
Schönre Länder blühen ferne,
Das verkünden mir die Sterne.
 
Du mußt glauben, du mußt wagen,
Und, den Argonauten gleich,
Wird die Woge fromm dich tragen
In das wunderbare Reich;
Mutig streitend mit den Winden,
Muß ich meine Heimat finden!
 
Siebst du, heißer Sehnsucht Flügel,
Weiße Segel dort gespannt?
Hörst du tief die feuchten Hügel
Schlagen an die Felsenwand?
Das ist Sang zum Hochzeitsreigen –
Willst du mit mir niedersteigen?
 
Kannst du rechte Liebe fassen,
Nun so frage, zaudre nicht!
Schloß und Garten mußt du lassen
Und der Eltern Angesicht –
Auf der Flut mit mir alleine,
Da erst, Liebchen, bist du meine!“
 
Schweigend sieht ihn an die milde
Braut mit schauerlicher Lust,
Sinkt dem kühnen Ritterbilde
Trunken an die stolze Brust:
„Dir hab ich mein Los ergeben,
Schalte nun mit meinem Leben.“
 
Und er trägt die süße Beute
Jubelnd aus dem Schloß aufs Schiff,
Drunten harren seine Leute,
Stoßen froh vom Felsenriff;
Und die Hörner leis verhallen,
Einsam rings die Wogen schallen.
 
Wie die Sterne matter blinken
In die morgenrote Flut,
Sieht sie fern die Berge sinken,
Flammend steigt die hehre Glut,
Überm Spiegel trunkner Wellen
Rauschender die Segel schwellen.
 
Monde steigen und sich neigen,
Lieblich weht schon fremde Luft,
Da sehn sie ein Eiland steigen
Feenhaft aus blauem Duft,
Wie ein farb’ger Blumenstreifen –
Meerwärts fremde Vögel schweifen.
 
Alle faßt ein freud’ges Beben –
Aber dunkler rauscht das Meer,
Schwarze Wetter schwer sich heben,
Stille wird es ringsumher,
Und nur freudiger und treuer
Steht der Ritter an dem Steuer.
 
Und nun flattern wilde Blitze,
Sturm rast um den Felsenriff,
Und von grimmer Wogen Spitze
Stürzt geborsten sich das Schiff.
Schwankend auf des Mastes Splitter,
Schlingt die Braut sich um den Ritter.
 
Und die Müde in den Armen,
Springt er abwärts, sinkt und ringt,
Hält den Leib, den blühend warmen,
Bis er alle Wogen zwingt,
Und am Blumenstrand gerettet,
Auf das Gras sein Liebstes bettet.
 
„Wache auf, wach auf, du Schöne!
Liebesheimat ringsum lacht,
Zaubrisch ringen Duft und Töne,
Wunderbarer Blumen Pracht
Funkelt rings im Morgengolde –
Schau um dich! wach auf, du Holde!“
 
Aber frei von Lust und Kummer
Ruht die liebliche Gestalt,
Lächelnd noch im längsten Schlummer,
Und das Herz ist still und kalt,
Still der Himmel, still im Meere,
Schimmernd rings des Taues Zähre.
 
Und er sinkt zu ihr vor Schmerzen,
Einsam in dem fremden Tal,
Tränen aus dem wilden Herzen
Brechen da zum erstenmal,
Und vor diesem Todesbilde
Wird die ganze Seele milde.
 
Von der langen Täuschung trennt er
Schauernd sich – der Stolz entweicht,
Andre Heimat nun erkennt er,
Die kein Segel hier erreicht,
Und an echten Schmerzen ranken
Himmelwärts sich die Gedanken.
 
Scharrt die Tote ein in Stille,
Pflanzt ein Kreuz hoch auf ihr Grab,
Wirft von sich die seidne Hülle,
Leget Schwert und Mantel ab,
Kleidet sich in rauhe Felle,
Haut in Fels sich die Kapelle.
 
Überm Rauschen dunkler Wogen
In der wilden Einsamkeit,
Hausend auf dem Felsenbogen,
Ringt er fromm mit seinem Leid,
Hat, da manches Jahr entschwunden,
Heimat, Braut und Ruh gefunden. –
 
Viele Schiffe drunten gehen
An dem schönen Inselland,
Sehen hoch das Kreuz noch stehen,
Warnend von der Felsenwand;
Und des strengen Büßers Kunde
Gehet fromm von Mund zu Munde.

( Joseph von Eichendorff )