„Hochzeit“ von Elias Canetti

Veröffentlicht am: Samstag, 27. Oktober 2007 von Redaktion in: Allgemein

Revue zwischen Welttheater und aberwitzigem Totentanz, melancholischem Märchen und diabolischem Spaß. Ein skurriles Panoptikum von Typen hat Elias Canetti (1905-1994) in seinem Erstlingsdrama in einem Mietshaus versammelt.

Während im Souterrain die Frau des Hausmeisters stirbt und in den Nachbarwohnungen Erben, Mieter und Spekulanten gierig die betrügerische Übernahme der Immobilie vorbereiten, feiert sich in der Beletage die Hochzeitsgesellschaft der Familie Segensreich selbst.

Ein bürgerliches Pandämonium: Hinter der Fassade der Wohlanständigkeit geraten Gefühls- und Triebleben außer Kontrolle. Selbst Braut und Bräutigam bleiben von geilen Nachstellungen nicht verschont, ein sich immer weiter steigernder wilder Reigen beginnt. Ein Erdbeben, das zunächst wie die Inszenierung eines Gesellschaftsspiels erscheint, wird plötzlich Wirklichkeit.

Wie sieht eine Gemeinschaft aus, wenn sie sich über Selbstsucht, Gier und die Lust an der Ausbeutung der Mitmenschen definiert? Elias Canetti, der 1981 für sein philosophisches Werk „Masse und Macht“ den Nobelpreis für Literatur erhielt, zeigt in „Hochzeit“ eine ebenso beklemmende wie komische Version einer sich selbst zerstörenden Gesellschaft, der ihre Fundamente abhanden gekommen sind.